Samstag, 5. Mai 2012

Doppelspalt-Experiment

Wesentliche Prinzipien der Quantenmechanik lassen sich mit Hilfe eines Experiments nachweisen.

Klassische Versuchsanordnung:
  1. Zwei Wandschirme werden parallel und hintereinander aufgestellt. Der vordere Schirm hat einen senkrechten Spalt, auf den ein konstanter Lichtstrahl gerichtet wird. → Auf dem hinteren Schirm wird eine senkrechte weiße Linie sichtbar, hervorgerufen von dem Licht, das durch den Spalt im vorderen Schirm fällt.
  2. In dem vorderen Schirm wird zweiter, senkrechter Spalt angebracht und wieder wird ein Lichtstrahl darauf gerichtet. → Auf dem hinteren Schirm erscheinen nun nicht etwa zwei senkrechte Linien, sondern ein Muster aus Licht- und Schattenstreifen. Und schon wurde der Beweis dafür erbracht, dass sich Licht in Wellenform fortbewegt: Der nun sichtbare 'Streifen-Effekt_ zeigt sich infolge von Lichtwellen, die sich von beiden Spalten ausbreiten und wie Wellen auf einem Teich interferieren (überlagern). Albert Einstein zeigte im Jahre 1906, dass Licht sowohl Welle als auch eine Ansammlung subatomarer Lichtquanten ist, die wir heute Photonen nennen. Einsteins Bezeichnung 'Quanten' wurde zum Oberbegriff für den Dualismus der subatomaren Teilchenwelt: Alles unterhalb eines Atoms kann sowohl als abstrakte Welle wie auch als substanzielles Teilchen existieren.
  3. Sendet man von einer Lichtquelle eine Reihe einzelner Lichtquanten / Photonen aus, wird es erst recht kurios: Anstatt sich entweder durch den einen oder durch den anderen Spalt bewegen und auf der hinteren Wand zwei Lichtstreifen zu bilden, erscheint wieder das Interferenzmuster aus dem 2. Durchlauf. Folglich muss sich sich jedes Photon zeitgleich durch beide Spalte bewegen und mit sich selbst interferieren.
  4. Nun kommt der Aspekt direkter Beobachtung hinzu: Sobald zwei Teilchendetektoren auf der rückwärtigen Seite jedes Spalts aufgestellt, verhält sich jedes Photon wie ein einziges Teilchen! Wie eine Murmel nimmt es einen bestimmten Weg durch einen Schlitz und trifft nur auf einen Teilchendetektor.

Doppelspaltexperiment mit angedeuteten Teilchen

Die Interpretationen dieses berühmten Versuchs muten bisweilen abenteuerlich an:


Deutet Durchlauf 4 darauf hin, dass Photonen Bewusstsein besitzen? Jedenfalls verhalten sie sich je nach dem, ob und wie sie beobachtet werden, unterschiedlich. Und sie 'wissen' schon, bevor sie durch die Spalte gehen, ob sie sich wie eine Welle oder wie ein Teilchen verhalten sollen. So entsteht der Eindruck, als kenne jedes Photon scheint die gesamte Versuchsanordnung und könne vorhersagen, welchen Zustand es annehmen soll.
In jedem Fall muss der Beobachter bei Experimenten mit sehr kleiner (subatomarer) Größenskala einbezogen werden, denn er verändert durch die Messung des genauen Weges eines bestimmten Teilchens den Ausgang des Experimentes entscheidend.

In der klassischen Physik beeinflusst keine Messung das Ergebnis eines Versuches; vielmehr basierte die traditionelle Physik auf der Überzeugung, mit Hilfe der physikalischen Gesetze lasse sich (wenn ausreichende Daten vorliegend und genug Rechenkapazität verfügbar ist) alles eindeutig vorhersagen oder herausfinden - beliebig weit in die Zukunft und in beliebig ferner Vergangenheit. 
Diese Überzeugung ist passé, wenn ein Versuchsausgang vom Vorhandensein eines Beobachters abhängt. Die Quantenmechanik bricht mit dieser Tradition. Nach ihr können noch nicht einmal den genauen Ort und die genaue Geschwindigkeit eines einzigen Teilchens kennen. Wir können noch nicht einmal das Ergebnis des einfachsten Experiments vorhersagen, von der Entwicklung des gesamten Kosmos ganz zu schweigen. 

Die Quantenmechanik zeigt, dass wir allenfalls Wahrscheinlichkeiten vorhersagen können, dass ein Experiment zu diesem oder jenem Ergebnis führt. Die Quantenmechanik wurde über Jahrzehnte durch Experimente von hoher Genauigkeit bestätigt - deshalb lässt sich das klassische Modell der Vorhersagbarkeit eindeutiger Zustände nicht mehr aufrecht erhalten. Statt dessen führt die Quantenmechanik Begriffe wie 'Summe aller Geschichten' oder 'Wahrscheinlichkeitsamplitude' ein...


Nachtrag: Leben in der Quantenwelt?


Offenbar gelten die Prinzipien der Quantenmechanik nicht für nur den Mikrokosmos, sondern beeinflussen auch die makroskopische Welt. Viele Physiker glauben heute, diese Theorie treffe auf alles zu, ob groß oder klein. Erweist sich dies als zutreffend, dürfte sich unser Weltbild weitreichend verändern.
Die Gesetze der Quantenmechanik beherrschen danach nicht nur die Welt der Atome und Elementarteilchen, sondern liegen in größerem Maßstab auch der Natur zu Grunde. Vielleicht machen sich sogar Pflanzen bei der Fotosynthese oder Zugvögel bei der Orientierung typische Quanteneffekte zu Nutze. ( → "Leben in der Quantenwelt", Spektrum der Wissenschaft, 11/2011)
Vlatko Vedral, der Autor des verlinkten Artikels, glaubt nicht mehr an eine klare Grenze zwischen quantenmechanischem Mikrokosmos und dem klassischen Makrokosmos:
"...Stephen Hawking von der University of Cambridge und viele andere Physiker glauben, dass die Relativitätstheorie einer fundamentaleren Theorie weichen muss, in der es weder Raum noch Zeit gibt. Die klassische Raumzeit geht demnach durch den Vorgang der Dekoheränz aus quantenmechanischen Verschränkungen hervor..."

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